„Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“ - „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“

Ein geläufiges Sprichwort lautet: Der kluge Mann baut vor. Wir sollen dazu ermutigt werden, über den Augenblick, über den Tag hinauszublicken, möglichst das Ganze im Blick zu haben, an die Zukunft zu denken, möglichst weit, bis zum Endpunkt, bis zum Ziel.

Für den gläubigen Menschen bedeutet dies, dass wir auch Gott in alle unsere Zukunftspläne mit einbeziehen und dass wir alle unsere Entscheidungen so treffen, dass sie in die Zukunft mit Gott passen.

Dieses Evangelium provoziert.

Was Jesus dem jungen Mann sagt, ist eine Zumutung für all die, die ihr Hab und Gut nicht verkaufen, um den Erlös den Armen zu geben. Gerade wir Deutschen, auch die Christen, gehören im Allgemeinen zu den reicheren Menschen auf dieser Erde. Diesen nun soll gesagt sein, ein Kamel käme leichter durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Reich Gottes.

Diese Aussage Jesu ist an Radikalität nicht zu übertreffen; sie macht mich ratlos und schüchtert mich regelrecht ein.

Ist mir der Weg in den Himmel verschlossen, wenn ich nicht bereit bin, in völliger Selbstpreisgabe bis zum Äußersten zu gehen? Mehr noch: Muss ich bei Gott das Liebste opfern, um mir so seine Gnade zu verdienen?

Gott ist die Liebe, und deshalb kann o.a. Aussage Jesu so brutal nicht gemeint sein. Man muss nur genauer hinsehen:

Auslöser der Debatte ist der Reiche, der sich den göttlichen Lohn, das ewige Leben, erarbeiten will. Die zehn Gebote hält er, aber ein Herz für die Armen hat er nicht. Das aber ist nicht der Geist Jesu. Denn Jesus geht es nicht um das penible Einhalten von Vorschriften, also Geboten und Verboten. Nur weil er kein Mörder, Ehebrecher oder Dieb ist, muss einer noch lange kein guter Mensch sein. Unerträgliche frömmelnde Moralisten kennen wir alle.

Aber die Aussagen Jesu gehen über diese schlichte Erkenntnis weit hinaus. Denn der Grundfehler des Frömmlers ist, die Verhältnisse zwischen Gott und Mensch auf den Kopf zu stellen.

Allein schon der Versuch, sich bei Gott etwas erarbeiten zu wollen, ist grundfalsch. Wer das versucht, hat den Glauben schon geleugnet.

Der ernsthafte Christ ist überzeugt davon, dass er in Gottes grenzenloser Liebe schon immer geborgen ist, vor aller Leistung.

Und der wahre Christ weiß, dass alles gute Tun erst aus dieser Geborgenheit heraus erwächst.

Wer es schafft, aus der Freude der Gemeinschaft mit Gott heraus zu leben, wer so weit gekommen ist, dass ihn nichts und niemand aus dieser Freude herausreißen kann, der wird sich nicht länger seiner Angst um sich selbst hingeben und seinen Besitz oder guten Ruf um jeden Preis festhalten wollen.

Das muss nicht bedeuten, gleich sein Konto aufzulösen und den Besitz einer wohltätigen Einrichtung zu überschreiben. Aber es bedeutet, aufmerksam und mit liebenden Augen durch die Welt zu gehen. Und insgesamt Herz und Gewissen zu folgen. Nicht aus Zwang. Sondern aus Liebe.

Das alles ist bei Gott möglich!