Am Gründonnerstag geschieht viel: Der Herr hält das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern, bevor er aufgrund des Verrats von Judas durch römische Soldaten gefangen genommen wird. Es ist eine stille Nachtfeier, das letzte Abendmahl, jedoch voll von Emotionen, mit wichtigen inhaltlichen Aufträgen für die Jünger. Der Herr wäscht seinen Jüngern die Füße und fragt sie anschließend: „Begreift ihr, was ich an Euch getan habe?“ Begreifen ist das richtige Verb, das die Intention des Herrn wiedergibt. Begreifen ist nicht nur eine Sache des Kopfes wie Verstehen, Einsehen. Begreifen ist auch eine Sache vor allem des Herzens, des Erspürens mit dem Gemüt, des konkreten Greifens einer konkreten Liebestat. Die Güte, die Liebe, das Wohlwollen sind Herzregungen, die zum Greifen übergehen, um uns dann zu ergreifen. Es sind „grundlose“ Handlungen, die uns vor den Kopf stoßen, wie Petrus, der erstaunt ist, dass sein Meister ihm die Füße waschen will. Oder, wie jener Priester in Italien, der, mit dem Coronavirus infiziert, das Atemgerät, das seine Kirchengemeinde für ihn kaufte, einem jüngeren Patienten überlässt und infolge dessen stirbt. Und es gibt bestimmt andere solche Beispiele aus diesen besonderen Tagen!

Ob die Jünger damals begriffen haben, was der Herr an ihnen tat?! Ein paar Stunden später, bei seiner Verhaftung, hauen alle aus Angst ab, Petrus verleugnet seinen Herrn, die anderen verstecken sich. Erst später in ganz konkreten Situationen begreifen sie, was geschehen ist. Als der Hahn krähte erinnerte sich Petrus an das Wort Jesu: „Drei Mal wirst du verleugnen, dass du mich kennst…“ und er bereute seine Feigheit, ging nach draußen und weinte bitterlich. Das berührt mich jedes Jahr beim Lesen dieser Stelle in der Passion. Petrus weint bitterlich, mit Schluchzen, stelle ich mir vor. Er begreift, dass er seinen Freund verleugnet, verlassen hat und beweint diese bittere Enttäuschung. 

Ob wir immer gleich begreifen, was an uns, mit uns geschieht…?

Und hier noch eine „Begreif-Erzählung“ aus diesen Tagen: „Nachdem seine Gesundheitssituation sich verbessert hatte, verlangte das Krankenhaus von einem älteren Mann in Italien, die Kosten für das Atemgerät zu bezahlen. Als der Mann das hörte, begann er zu weinen. Gefragt, warum er weine, antwortete der Mann: Ich weine nicht wegen des Geldes, das ich bezahlen muss. Das ist kein Problem für mich. Ich weine, weil ich 93 Jahre lang die Luft Gottes geatmet habe und dafür habe ich nie bezahlt … Wie viel muss ich Ihm bezahlen? Ich habe Gott davor nie dafür gedankt …“ 

Wenn wir frei die Luft atmen, ohne Schmerzen, ohne Krankheit, dann ist das für uns selbstverständlich. Erst im Krankenhaus, wenn wir Luft, Sauerstoff mit einem Beatmungsgerät bekämen, begreifen wir, dass das nicht selbstverständlich ist … Ob jemand gläubig ist oder nicht, es sollte keinen Unterschied machen, vor dieser Situation dankbar, zufrieden, wertschätzend zu sein! Und jeder, der das begreift, zeigt auf seine Art und Weise seine Dankbarkeit, vor anderen, vor Gott …

Am Gründonnerstag setzt Jesus für uns Christen eine spezielle Form für das Dankbarsein ein, in Gemeinschaft: die Eucharistie. Das bedeutet Eucharistie – Danksagung als Gedächtnisfeier! In Gemeinschaft mit Ihm und untereinander, Gott dem Vater Danke zu sagen. „Tut das zu meinem Gedächtnis!“ - Seid dankbar, wascht einander die Füße, nehmt und esst den Leib des Herrn, denkt aneinander, an Gott. Denn die Dankbarkeit, wie auch die Liebe braucht ein Du, braucht andere. Mir selbst kann ich schlecht dankbar sein! 

Die Eucharistie ist Danksagung als Gedächtnisfeier - also, falls wir vergessen würden, dankbar, zufrieden, wertschätzend zu sein, dann soll die Eucharistiefeier die Denk- und Dankstütze sein, gerade dann, wenn es uns gut geht. Und Hand aufs Herz, wie vergesslich bin ich? Vieles andere ist so wichtig, so aufregend, so besorgniserregend, dass ich schlichtweg aus den Augen verliere (manchmal für sehr lange Zeit) dankbar zu sein, dankbar meinen Lieben, meinen Mitmenschen, Gott! 

Am Gründonnerstag werde ich mit dem Seelsorgeteam aber ohne Sie, ohne Euch als Gottesdienstgemeinde Eucharistie feiern. Die Danksagung in der Gemeinschaft wird mir sehr fehlen, wenn ich an die letzten Jahren zurückdenke, wie ich mit der großen Schar von Ministranten, mit dem Kirchenchor, mit allen in der Kirche Gründonnerstag gefeiert habe. Und hier begreife ich (eben auch indem ich die vielen Hände der Ministranten beim Friedensgruß nicht greifen kann), wie dankbar ich für die Glaubensgemeinschaft, für jeden, der Mit-Dabei war, eigentlich bin. Ich schließe Sie alle in meine Gedanken, in der Feier der Heiligen Messe mit ein. Dieser geistige Akt bleibt jedoch bei seinem echten Wert immer noch dürftig, so wie jeder andere Kontakt von uns zu unseren Verwandten und Freunden in dieser Zeit beschränkt und be-dürftig des be-greifens des anderen ist. Deswegen blieb auch der Herr bei uns zum Greifen nah in der Hl. Kommunion, mit seinem Leib, mit seinem Blut, um Gemeinschaft mit Ihm und untereinander zu stiften. Das schenkte er uns auch am Gründonnerstag. Dieses Geschenk müssen wir anscheinend in diesem Jahr auf eine andere Art und Weise begreifen.

Pfr. Ionel Anghel

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