Die Berichte über Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche wühlen auf.  Sie stehen im medialen Interesse, erschüttern und verunsichern. Sie lassen Zweifel aufkommen an der Institution Kirche und stellen manchen Christen auf einen harten Prüfstand. Einer, der „kein Blatt vor den Mund nehmen“ und seinen Gedanken „Luft“ machen will ist Diakon Peter Walter. Seit 2017 arbeitet er im Pfarrverband Anger-Aufham-Piding. Peter Walter stellt sich die Frage, ob man Gott noch verstehen kann und sagt: „Mir steht es ehrlich gesagt momentan bis oben hin … immer wieder neue Erkenntnisse, Vorfälle und Enthüllungen in ‚Dauerschleife‘ über Sauereien in der Kirche.“

Das Buch von Daniel Büching "Das 11. Gebot. Du sollst nicht darüber sprechen", in dem der Autor über die Parallelwelt in Priesterseminaren berichtet, stellt Peter Walter an den Beginn seiner Überlegungen. „Leider ist in der Kirche nach diesem Kontext jahrzehntelang so gehandelt und Katastrophales verbrochen worden, dass nie wieder gut gemacht werden kann. Dieses Thema wird uns alle für immer verfolgen -  genauso wie Kreuzzüge, Hexenverbrennung und die Inquisition für die ich  ‚ois oana vo da Kirch‘ immer wieder mal herhalten muss“, spricht der Diakon von negativen Erfahrungen, die er im Laufe seiner Tätigkeit machen musste. Er spannt aber den Bogen gleich weiter: „Papst Johannes Paul II. hat sich – und das geht meist unter - wenn auch sehr, sehr spät beim Friedensgebet im Jahr 2000 in Assisi für all das entschuldigt.“

Peter Walter weiter: „Es gibt gerade jetzt gar nichts zu beschönigen und ich hoffe, dass die Vergehen mit allen Konsequenzen gnadenlos aufgearbeitet werden und in erster Linie vor allem den Opfern mit ihren Familien geholfen wird. Die katholische Kirche mit der ich seit Kindheit verbunden bin, hat mich positiv geprägt. Aber mit diesem Supergau des sexuellen Missbrauchs hat die Amtskirche auch für mich sehr, sehr viel an Glaubwürdigkeit verloren.                       
Ich hoffe es ist jetzt vorbei – und Menschen wissen es zu unterscheiden – wenn nach all dem weiter vom Wasser gepredigt und selbst der beste Wein getrunken wird. Auf klerikales Gehabe, Scheinheiligkeit und Machtdemonstration von oben müssen jetzt neben bereits erfolgtem Schuldeingeständnis, Entschuldigung vor allem glaubwürdige Reaktionen folgen und meiner Meinung nach auch längst fällige Veränderungen kommen.“  Hierzu nennt Peter Walter zwei Beispiele: „Wenn vor Gott alle Menschen gleich sind, darf kirchliches Arbeitsrecht in Zukunft für Menschen kein Hindernis mehr sein, ihre persönliche Lebensform zu verwirklichen, ohne Angst haben zu müssen, den Arbeitsplatz  zu verlieren. Priester, die in geheimer Partnerschaft leben und es leugnen werden noch geduldet und wer sich ehrlich dazu bekennt und nicht lügt, der fliegt raus. Ich hab die Berufung zum Priester nie gehabt, aber trotzdem könnte ich als Ehemann und dreifacher Familienvater genauso dieses Amt ausüben.“ Peter Walter blickt hier in die gleiche Richtung wie der Kardinal: “ Vielleicht ist es jetzt durch diese Skandale wirklich an der Zeit – so wie's es unser Kardinal Marx bereits gesagt hat – den Zölibat freizustellen. Eine Erneuerung im Glauben wird gefordert. Doch bisher hatte ich leider eher den Eindruck dass immer noch der Ausspruch vorherrscht: ‚Es muss was geschehen, aber es darf nichts passieren‘".

Der Diakon unterstreicht weiter, dass die Kirche für ihn trotz allem eine sinnstiftende Gemeinschaft darstellt, die stützt, tröstet und viele Millionen Menschen in unserem Land durch die Verkündigung des Evangeliums begleitet. Weiter weist er darauf hin, dass die Kirche immer noch vielen Menschen trotz aller Geschehnisse, eine geistliche und soziale Heimat bietet.  Christ zu sein bedeutet für Gläubige – auch jetzt noch - sich besonders für Schwache, Kranke, Alte, für Menschen am Rande der Gesellschaft einzusetzen und dies auch weiterhin zu tun. „Der Beitrag, den Christen aufgrund ihres Glaubens für unsere Gesellschaft leisten, lässt sich nicht in Zahlen messen. Messbar ist aber das, was in den Wirkungsbereich der Caritas fällt. Rund 90.000 Hauptamtliche in über 6000 Diensten und Einrichtungen sowie rund 120.000 Ehrenamtliche, dafür steht die Caritas in Bayern.“

Peter Walter möchte noch einen weiteren Gedanken loswerden: „Kirche nur pauschal verurteilen und abzuwatschen ist nicht richtig. Jeder Sonntag, der von unserer Verfassung als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung geschützt ist, ist ein Geschenk der Gläubigen an die ganze Gesellschaft. Auch an die, die ihn gar nicht religiös begehen. Denn vergessen wir die bezahlten kirchlichen Feiertage nicht – trotz Kirchenaustritts.“

Trotz allem ist Peter Walter dankbar: „Es ist mir weiterhin eine Herzensangelegenheit meine Berufung als Diakon in dieser Kirche, die nicht immer ‚meine‘ Kirche ist, glaubwürdig für alle Menschen auszuüben. Es ist falsch – und das gilt es zu unterscheiden - das gesamte Bodenpersonal ‚über einen Kamm zu scheren‘, denn es überwiegen engagierte und glaubwürdige SeelsorgerIinnen in ihrem unverzichtbaren Dienst. Christlicher Glaube gründet nicht in einem Programm, sondern in der Person Jesu, der auch mein Leben auf den Kopf gestellt hat. Christlicher Glaube hat damit in der Begegnung mit dem lebendigen Gott zu tun, den auch ich manchmal nicht verstehen kann. Diese Begegnung zwischen Gott und Mensch ist die Quelle meines Glaubens und daher auch die Quelle meines Dienstes an den Menschen in dieser Kirche“, äußert Peter Walter seine grundsätzliche Überzeugung und ergänzt: „Denn das Evangelium hat an Aktualität bis heute nichts verloren. Deswegen muss das Wort Jesu  nicht nur verkündet, sondern auch -  und das vor allem – glaubwürdig gelebt werden.“

Maria Horn