Gedanken zum ersten Johannesbrief „Gott ist die Liebe“ von Rudi Salzeder
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm, so haben wir vorhin in der Lesung aus dem ersten Johannisbrief gehört.
Gott ist unser aller Ausgangspunkt und unser Daseinsziel. Wenn nun Gott Liebe ist, dann ist Liebe unser Ausgangspunkt und unser Daseinsziel. Das bedeutet: Es gibt für uns Menschen nichts wichtigeres als Liebe.
Ich will heute einmal mit Ihnen zusammen darüber nachdenken, ob ich mir überhaupt bewusst bin, was ich sage und denke, wenn ich das Wort Liebe in den Mund nehme.
Fast kein Wort wird mit soviel Oberflächlichkeit ausgesprochen wie das Wort Liebe. Alles was wir gern haben, gern mögen oder gern tun bezeichnen wir als lieben oder, wie wir Bayern sagen, „mögen“ Ich drücke Zuneigung aus mit: „I mog di“, Behagen und Wohlgefühl mit: „I mog an Schweinsbron mit Semmeknedl“, eine angenehme Betätigung mit: „I mog gern schiefahrn“. Und so könnte man noch viele Beispiele anführen.
In unserem „verdenglischsten“ Digitalzeitalter wird ich liebe oder I mog durch I love oder I like ersetzt. Und dieses I like brauche ich nicht einmal mehr zu sagen oder schreiben, ich brauche es nur noch anzukliggen. Und wenn meine posts mit vielen likes angekliggt worden sind, dann habe ich viele followers (in der Bibel würde man Jünger sagen), und ich werde zum Influencer, das heißt: ich beeinflusse durch meine posts das Leben dieser followers.
Die eben geschilderten Beispiele haben sicherlich wenig zu tun mit dem Liebesbegriff aus dem Johannesbrief. Ich will aber wissen, was dahinter steckt und nicht einfach Bibelzitate unverstanden nachplappern. Und da habe ich eine Quelle aufgetan, die für mich zumindest sehr überzeugend ist.
Nämlich die Enzyklika „Deus Caritas est „Gott ist die Liebe“ unseres bayerischen Papstes Benedikt
Dieser Enzyklika liegen die drei im griechischen Urtext der Heiligen Schrift angewandten Begriffe für Liebe zugrunde, nämlich EROS, PHILIA und AGAPE.
EROS ist dabei, sagen wir einmal, die menschlichste Auslegung. EROS ist eigentlich alles, was der Mensch für andere mit Hingabe oder, wie wir auch gerne sagen, von Herzen tut.
Aber jetzt kommt die menschliche Schwäche ins Spiel. Den meisten Menschen ist die Haut näher als das Hemd. Das heißt: EROS ist nicht uneigennützig. Der Mensch, der Gutes tut, will meistens auch wieder etwas zurück. Wenn ich meine Frau oder meine Kinder oder meine Nächsten liebe, will ich wenigstens auch deren Zuneigung spüren, wenn ich eine gebrechliche Person über die Straße führe, will ich wenigsten einen dankbaren Blick zurück, wenn ich meine Arbeit liebe, will ich, dass dies anerkannt und entsprechend bezahlt wird usw. usf.
Die nächst höherer Stufe PHILIA ist die Freundesliebe, die in den Schriften eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Verhältnis Christi zu seinen Jüngern und unter den Jüngern erwähnt wird. PHILIA könnte man als höherwertiger als EROS bezeichnen, weil echten Freunden gegenüber die Eigennützigkeit schon mal in den Hintergrund treten kann.
Den höchsten Maßstab an die Liebe setzt AGAPE. AGAPE ist die uneigennützige Liebe. AGAPE heißt: Gutes denken und/oder reden und/oder tun, völlig freiwillig, aus ganzem Herzen und ohne erwartete Gegenleistung. Wer die Stufe von AGAPE erreicht, der liebt, auch wenn er nichts zurückbekommt.
Das Maß an AGAPE- Fähigkeit ist das Maß für „gut sein“, damit für glücklich sein, damit für heilig sein, damit im Himmel sein.
Ich frage mich dabei: Ist der Mensch überhaupt AGAPE- fähig oder ist dies nur GOTT?
Gott ist AGAPE- fähig, weil er alles, was ist, hat und ist. So gesehen braucht er nichts und niemand.
Dem Menschen fehlt soviel in seiner Bedürftigkeit, dass er fast alles brauchen kann. Seine AGAPE- Fähigkeit dürfte deshalb begrenzt sein. Am nächsten, glaube ich kommt dieser göttlichen Eigenschaft der AGAPE- Fähigkeit die Mutterliebe. Mütter können ihre Kinder auch dann noch lieben, wenn nichts mehr zurückkommt.
Unserem Mangel an Agape-Fähigkeit begegnet Gott mit seiner durch seine Liebe bedingten Barmherzigkeit.
Lieben bedeutet: Gutes denken und/oder reden und/oder tun, also gut sein soweit wie möglich im Sinne von AGAPE. Ich frage mich aber: Woher weiß ich, was das Gute ist?
Mir wurde von Kindheit an beigebracht: gut ist, was dir die Stimme deines Gewissens sagt. Aber stimmt das wirklich?
Ja und nein: Subjektiv betrachtet stimmt das, mein Gewissen ist mein Maßstab, ich habe sonst keinen.
Objektiv betrachtet sieht es anders aus: Mein Gewissen kann in der Beurteilung von Gut und Böse voll daneben liegen. Mein Gewissen hat sich herausgebildet durch die Erziehung von Eltern und Lehrern, durch mein Umfeld, durch meine Lebenserfahrung, es ist einem dauernden Wandel unterworfen.
Ein religiös fanatischer Selbstmord-Attentäter zum Beispiel ist höchstwahrscheinlich davon überzeugt, dass er gutes tut und deshalb dürfte er, subjektiv gesehen, ein gutes Gewissen haben.
Also: Woher weiß ich, was gut ist?
ich weiß es, weil ich Christ bin.
Als Christ weiß ich nicht durch irgendeinen Lehrer, Erzieher, Influencer, Massenidol, Guru, Propheten, Religionsstifter, Gesetzgeber usw. was gut und damit wahre Liebe ist. Ich weiß es von Gott selber.
Das absolut einzigartige und großartige am Christentum ist:
- Gott selber ist Mensch geworden. Den als Jesus Christus Mensch gewordenen Gott, den können wir uns vorstellen den können wir verstehen
- Dieser Jesus Christus ist auch als Mensch Gott und damit auch als Mensch die Liebe und damit das Maß für Liebe.
- Dieser Gottmensch sagt uns nicht nur, was gut ist, er lebt es uns vor.
Für mich ist neben Christi Tod und Auferstehung sein Vor-Leben von Liebe und damit von gut sein wesentlicher Teil der Erlösung.
Wenn ich also lieben will und damit gut sein und damit glücklich sein und damit heilig sein und damit im Himmel sein, wenn ich in diese Richtung etwas unternehmen will und nicht falsch liegen will, dann muss ich mir als Christ nur die Frage stellen:
Wie würde Jesus Christus in meiner momentanen Lage denken und/oder reden und/oder handeln?